Bericht zum Selbsterfahrungstag im Sächsischen Landtag am 23. Oktober 2023

Auf Einladung des Ausschusses für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt, konnten wir nach einer langen Vorbereitungszeit, diesen von uns initiierten Selbsterfahrungsaustausch, wie diese Aktion von der Seite des Landtages bezeichnet wurde, durchführen.

Unser ursprüngliches Ziel war es, möglichst vielen Abgeordneten des Landtages die Möglichkeit zu geben, sich einmal ganz persönlich in die Lebenswelt von Menschen mit Seheinschränkungen einzufühlen. So wollten wir erreichen, dass unsere Abgeordneten wirklich wissen, worüber sie sprechen und zum Schluss auch über die Zukunft der Teilhabeentwicklung entscheiden.

Die Wissens– und Erfahrungsvermittlung sollte die Erreichung von notwendigen Mehrheiten in den einzelnen Fraktionen, sowie auch im Landtag verbessern, wenn es um Entscheidungen für eine selbstbestimmte und vor allem gleichberechtigte Teilhabe unserer Menschen in Sachsen geht.

Der Ablauf war klar getaktet, denn uns stand nur ein begrenztes Zeitlimit von insgesamt 90 Minuten zwischen zwei nicht öffentlichen Beratungen des Ausschusses zur Verfügung.

Von Seiten des BSVS waren insgesamt 23 Personen beteiligt, die zu folgenden Themengebieten Rede und Antwort standen, bzw. Angebote für eine Selbsterfahrung bereithielten:

  • Teilhabe und Politik,
  • Förderpraxis im Freistaat,
  • Barrierefreiheit analog und digital,
  • Barrierefreie Wahlen,
  • Notwendige Assistenzleistungen und Administration des Verbandes,
  • Mobilität und lebenspraktische Fertigkeiten,
  • Taubblindenassistenz und Teilhabe,
  • Vorstellung Projekt Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden und Öffentlichkeitsarbeit,
  • LHZ-Beratungsangebote und Hilfsmittel für den Alltag zum Kennenlernen,
  • BPA Beratungsangebote/Vortragsreihen vor Ort, mobil und digital und Möglichkeiten und Grenzen von technischen Hilfsmitteln,
  • Spezifische Angebote der Villa „Rochsburg“ und ihre Notwendigkeit zur Sicherung der Teilhabe.

Nach der Eröffnung durch die Ausschussvorsitzende, Frau Schaper, stellte diese uns die Teilnehmer aus den Fraktionen und die anwesenden Vertreter des Sozialministeriums namentlich vor. Nach dem darauffolgenden Abspielen unseres Imagefilms erfolgte unsererseits die Vorstellung und die Benennung der einzelnen Gesprächsgruppen, sodass jeder wusste, mit wem er es zu tun bekommt. Für jeden Teilnehmer hatten wir zusätzlich das Jahrbuch des DBSV und einen USB-Stick vorbereitet, auf dem noch einmal die gemeinsamen Forderungen der sächsischen Vereine zur Landtagswahl 2024, Informationen zu den Angeboten des BSVS und wichtige Links gespeichert sind.

Da im Plenum keine Fragen der Abgeordneten zu beantworten waren, ging es unverzüglich in den direkten Austausch. Unsere Vorbereitungen hatten sich gelohnt, die Angebote wurden von den ca. 40 anwesenden Teilnehmern rege in Anspruch genommen. Auch wenn einige Wenige sich sichtlich unwohl fühlten, hatten doch auch unsere zwei Reha-Lehrerinnen fortlaufend mutige Langstockdebütanten. So zeigten sich der Landtagspräsident, Dr. Mathias Rößler, genau so beeindruckt von dieser Erfahrung, wie auch Herr Dierks von der CDU-Fraktion. Die sprechende Mikrowelle demonstrierte, wie auch wir sie gefahrlos bedienen können, die Preisdifferenz von ca. 300 Euro sorgte dann doch für nachdenkliche Gesichter.

In den Gesprächen nach dem Kennenlernen oder Ausprobieren von den verschiedenen Hilfsmitteln oder Techniken wurde festgestellt, dass alles kein Ersatz für ein beeinträchtigtes Sehvermögen darstellt. Es ist ein bedeutend größerer Zeitaufwand für alles notwendig, im Vergleich erfordert jede Verrichtung und Unternehmung des täglichen Lebens viel mehr Aufmerksamkeit und Energie.

Am Infostand der Villa Rochsburg konnte den Politiker/-innen verdeutlicht werden, wie wichtig dieser Ort für gemeinsame Zeit unter Mitmenschen mit vergleichbaren Problemen ist. Warum Seminare mit speziell auf unsere Zielgruppe zugeschnittenen Inhalten sowie der Erfahrungsaustausch zwischen betroffenen Menschen bezahlbar sein muss, wurde deutlich erkennbar.

Ausgehend von den gerade gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen der Abgeordneten, konnten wir den Dialog auf unsere notwendigen Grundforderungen zurückführen. Wir machten den Landespolitikern deutlich, dass es in den Wahlprogrammen für die Landtagswahl darauf ankommt, dass sich die ca. 20 Prozent behinderte Menschen in Sachsen mit ihren Familien in diesen wiederfinden müssen. Wenn dies nicht geschieht, machen unsere betroffenen Menschen ihr Kreuz nicht bei den etablierten Parteien oder gehen überhaupt nicht zur Wahl. Und 20 Prozent sind für manche Parteien schon mehr, als sie zurzeit einfahren würden. Die hessische CDU hat ihren Wählern im Wahlbaustein zugesichert, dass es in Hessen das höchste Blindengeld in Deutschland geben wird. Das hat ohne Zweifel viele Stimmen gebracht, ist aber für Sachsen in der dafür erforderlichen Höhe von über 800 Euro nicht unser Anspruch.

In unserem Freistaat geht es um ein zeitgemäßes Blindengeld und Nachteilsausgleiche, die diese Bezeichnung auch verdienen. Die Wiedereinführung der Dynamisierung ist der zweite wichtige Teil, der dafür sorgen kann, dass wir endlich aus der seit vielen Jahren bestehenden Bittstellerrolle herauskommen. Gleichfalls ist auch eine Überführung des LblindG in ein Teilhabegeldgesetz angezeigt, in der alle Gruppen von betroffenen Menschen verankert werden sollten.

Alle diese Themen konnten wir an den Mann bzw. die Frau bringen und auch wenn nicht jeder Gesprächspartner mit unseren Forderungen und Themen vollumfänglich mitgehen konnte, wurde doch ziemlich einstimmig festgestellt, dass etwas getan werden muss.

Das bestätigte auch Frau Ministerin Köpping sowie auch die anwesenden Vertreter der einzelnen Fraktionen.

Und es kam wie es kommen musste, die Zeit war schnell vorbei, sodass wir im vollen Dialog abbrechen mussten.

Wenn es nach unserem sichtlich beeindruckten Landtagspräsidenten, Herrn Dr. Mathias Rößler geht, wünscht er sich eine Wiederholung dieser Aktion. An uns soll es nicht liegen, wir sind gern wieder dabei.

Nun warten wir gespannt auf die fertigen Entwürfe der Wahlprogramme, wir werden diese anhand unserer Forderungen genau unter die Lupe nehmen. Denn nur wenn diese berücksichtigt werden, gibt es die Chance, dass sie es auch in den neuen Koalitionsvertrag schaffen.

Unser Dank geht an alle Beteiligten des BSVS, an Frau Förster vom Ausschussbüro sowie an die Ausschussvorsitzende Frau Schaper, die mit großem Einsatz zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.

Auch im Sachsen Fernsehen gab es einen Beitrag: https://t1p.de/6a53c.

Andreas Schneider
Landesvorsitzender des BSVS e. V.